Erdmann

Fontane-Forscher mit Akzent
Horst Erdmann wurde 75

NEURUPPIN  Nein, ein großes Gewese will Horst Erdmann nicht um seinen 75. machen. Dabei ist der Neuruppiner, der am 9. Mai im uckermärkischen Prenzlau das Licht der Welt erblickte, nicht nur Fontane-Preisträger, sondern vor allem eine anerkannte Institution in der Fontanestadt: Wer etwas über den großen Dichter wissen will und nicht weiter weiß, klingelt bei Horst Erdmann.

Aber das war nicht immer so. Zwar wohnt Horst Erdmann seit seinem zweiten Lebensjahr fast ununterbrochen in Neuruppin, auf den großen Dichter wurde er jedoch von einem seiner Professoren in Berlin gestoßen. Der hatte erfahren, dass Erdmann aus Neuruppin kommt und für das Staatsexamen einige Fragen zu Fontane angedroht …

Dass Erdmann Germanistik und Anglizistik an der Berliner Humboldt-Universität studierte, verdankt er ebenfalls einem ungewöhnlichen Zufall. Er war mit siebzehneinhalb in die Wehrmacht eingezogen worden und landete keine sechs Monate später in amerikanischer Krieggefangenschaft. „Doch ich musste nicht mehr über den großen Teich“, erzählt Erdmann.  Stattdessen landete er in einem Lager in Frankreich und meldete sich dort „mit meinen sieben Jahren Schulenglisch“ als Dolmetscher. Obwohl Erdmann nach einem Jahr entlassen wurde und 42 Jahre als Deutsch- und Englischlehrer unterrichtete – erst sechs Jahre in Rheinsberg, dann in Neuruppin – hört man das noch heute: Erdmann spricht das Englisch mit einem leichten amerikanischen Akzent.

An seine erste Klasse, die er unterrichtete, kann sich Erdmann noch gut erinnern.  Schließlich saß dort Siegfried Matthus hinter einer der Schulbänke, der jetzige Leiter der Kammeroper Rheinsberg. Und richtig schmunzeln muss Erdmann, der nie einer Partei angehörte, wenn er an einige Pastorenkinder denkt. „Die kamen damals in meinen Sprecherzirkel ins Kulturhaus und haben Gedichte von Johannes R. Becher rezitiert.“

Aber nein, eigentlich hat Horst Erdmann, der nebenbei Vorsitzender des Historischen Vereins der Grafschaft Ruppin ist, gar keine Zeit für langes Gerede. „Ich muss meiner Frau im Haushalt helfen.“ Hannelore Erdmann, die ihren Horst vor über 50 Jahren beim gemeinsamen Singen in einem Chor kennen lernte, holt den Fontane-Forscher immer wieder zurück in die Gegenwart. Dabei will Erdmann sich nunmehr Fontanes jüngste Schwester Elise widmen. „Ein schwieriges Feld“, sagt Erdmann. Gibt es doch nur wenige direkte Äußerungen von Fontane zu Elise. Aber Erdmann ist optimistisch und tatendurstig. Schließlich hat er auch schon herausgefunden, dass Fontane seine Mutter um ein Jahr älter gemacht hat –  „vermutlich aus Tuttligkeit“.

Bildunterschrift: Gönnt sich selten mal eine Verschnaufpause: der Fontane-Preisträger Horst Erdmann, der gestern 75 wurde.

Märkische Allgemeine,  Freitag, 10. Mai 2002, Text: Andreas Vogel